**Der erste Schnee**

Es war ein grauer Novembermorgen, als Max und Lina sich das erste Mal begegneten. Max, der vor Kurzem mit seiner Familie in die kleine Stadt gezogen war, hasste es, der „Neue“ zu sein. Alles fühlte sich fremd an – die Straßen, die Schule, die Leute. Er saß am Fenster des Klassenzimmers und starrte hinaus, während er versuchte, nicht aufzufallen.

Lina, die bereits seit ihrer Geburt hier lebte, war das genaue Gegenteil. Sie war offen, neugierig und irgendwie immer von einem Lächeln umgeben. Als sie bemerkte, dass der neue Junge in der Ecke saß und niemand mit ihm sprach, beschloss sie, das zu ändern.

In der Pause ging sie zu ihm hinüber und stellte sich vor. „Hey, ich bin Lina. Du bist Max, oder? Willkommen in unserer kleinen, langweiligen Stadt.“ Ihr Lächeln war so warm, dass Max nicht anders konnte, als zurückzulächeln. „Danke. Es ist… gewöhnungsbedürftig hier.“

Von diesem Moment an begannen sie, immer mehr Zeit miteinander zu verbringen. Lina zeigte Max ihre Lieblingsplätze: den alten Bahnhof, den versteckten Pfad im Wald und die kleine Bäckerei, die die besten Zimtschnecken der Stadt hatte. Max begann, sich wohlzufühlen – nicht wegen der Stadt, sondern wegen Lina.

Eines Abends, als der erste Schnee fiel, gingen sie gemeinsam den Pfad entlang, den Lina ihm gezeigt hatte. Der Wald war still, nur ihre Schritte knirschten auf dem gefrorenen Boden. Plötzlich blieb Lina stehen und drehte sich zu Max um.

„Weißt du, manchmal fühlt es sich an, als hättest du immer hierher gehört“, sagte sie leise. Max schaute sie an, und in ihren Augen lag etwas, das er nicht ganz in Worte fassen konnte – ein Gefühl von Vertrauen, von Nähe.

Er zögerte einen Moment, dann nahm er all seinen Mut zusammen. „Vielleicht liegt das daran, dass ich wegen dir endlich das Gefühl habe, irgendwohin zu gehören.“

Lina lächelte, und ihr Blick hielt seinen fest. „Das geht mir genauso.“

In diesem Moment, während der Schnee sanft auf ihre Schultern fiel, küssten sie sich das erste Mal. Es war kein geplanter Kuss, sondern einer, der einfach passierte, weil es sich richtig anfühlte.

Von da an verbrachten sie fast jede freie Minute zusammen. Sie entdeckten nicht nur die Stadt neu, sondern auch sich selbst – durch Gespräche über Träume, Ängste und die großen Fragen des Lebens. Sie lernten, dass Liebe nicht immer perfekt ist, sondern manchmal einfach aus den kleinen Momenten entsteht: dem Lachen über dumme Witze, dem Teilen eines Regenschirms oder dem Schweigen, das sich trotzdem nicht leer anfühlt.

Der Winter verging, und mit dem Frühling wuchs auch ihre Liebe. Max hatte nicht nur eine Freundin gefunden, sondern ein Zuhause. Und Lina? Sie hatte gelernt, dass manchmal die besten Dinge genau dann passieren, wenn man sie am wenigsten erwartet.

 

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