Einst lebte ein Mann namens Luca, ein Künstler aus Italien, der nach Bali kam, um den Lärm und die Hektik seines alten Lebens hinter sich zu lassen. Mit seiner Staffelei und einer kleinen Tasche voller Ölfarben wanderte er nach Ubud, das für seine Reisfelder, üppige Wälder und die leuchtende Spiritualität bekannt war. Ubud hatte eine besondere Anziehungskraft auf Luca, eine Art stilles Flüstern, das ihn aufforderte, hier seine Seele zu finden.
Eines frühen Morgens, als die Sonne langsam die Palmen vergoldete und der Nebel die Reisfelder wie einen Schleier bedeckte, hörte Luca ein leises Wimmern. Es kam aus einem kleinen Bambusdickicht am Rande des Dorfes. Neugierig folgte er dem Geräusch und entdeckte einen abgemagerten Hund, der sich in einem kaputten Fischernetz verfangen hatte. Der Hund hatte goldbraunes Fell, das unter dem Schmutz hervorleuchtete, und Augen, die von Schmerz, aber auch von Hoffnung sprachen.
„Oh, du armer Kerl,“ murmelte Luca und ging vorsichtig auf den Hund zu. Er befreite ihn aus dem Netz und bemerkte, dass der Hund trotz seiner offensichtlichen Schwäche zaghaft mit dem Schwanz wedelte. Luca beschloss, ihn mitzunehmen. Er nannte ihn Kintan, was im Balinesischen „Gold“ bedeutet.
Ein neues Leben
Luca und Kintan wurden schnell unzertrennlich. Luca mietete eine kleine Holzhütte am Rande eines Dschungels mit Blick auf ein Reisfeld. Hier fand er Inspiration für seine Gemälde, während Kintan an seiner Seite lag und ihm Gesellschaft leistete. Oft streiften sie gemeinsam durch die Wälder und die Gassen von Ubud, wobei Kintan immer fröhlich vorauslief, als würde er Luca den Weg zeigen.
Im Laufe der Zeit gewann Kintan seine Kraft zurück. Sein Fell wurde glänzend, und er lernte, wieder zu vertrauen. Luca hatte nicht nur einen treuen Begleiter gefunden, sondern auch eine Quelle der Inspiration. Seine Gemälde, die oft Szenen von Kintan in den Reisfeldern oder inmitten von Hibiskusblüten zeigten, begannen, die Aufmerksamkeit der Einheimischen und Touristen auf sich zu ziehen.
Eines Tages, während sie durch den Monkey Forest spazierten, bemerkte Luca, dass Kintan ungewöhnlich aufgeregt war. Der Hund bellte und rannte auf eine alte balinesische Frau zu, die in traditionellen Kleidern am Boden saß und Opfergaben arrangierte. Luca wollte Kintan zurückrufen, aber die Frau lachte nur und streichelte den Hund.
„Dieser Hund hat eine Seele, die sehr alt ist,“ sagte sie zu Luca. „Er ist dein Wächter. Und du bist sein Schicksal.“
Luca verstand die Worte nicht ganz, aber er spürte, dass sie wahr waren. Von diesem Tag an glaubte er, dass Kintan nicht zufällig in sein Leben gekommen war.
Abenteuer in den Reisfeldern
Einmal, während der Regenzeit, als die Tropenstürme über die Insel hinwegfegten, waren Luca und Kintan im dichten Dschungel unterwegs. Plötzlich rutschte Luca auf dem schlammigen Boden aus und fiel in eine tiefe Mulde, die durch den Regen ausgewaschen worden war. Er hatte sich den Knöchel verletzt und konnte nicht aufstehen. Der Regen trommelte auf ihn herab, und die Dämmerung brach herein.
Kintan bellte unaufhörlich, lief hin und her und verschwand schließlich. Luca fühlte sich allein und hatte Angst, dass Kintan ihn verlassen hatte. Doch nach einer Stunde tauchte Kintan wieder auf – und mit ihm ein älterer Bauer, der eine Fackel trug. Der Bauer half Luca aus der Mulde und brachte ihn in seine kleine Hütte, wo er ihn mit Tee und Bananen versorgte.
„Kintan hat mich zu dir geführt,“ sagte der Bauer lächelnd. „Das ist ein kluger Hund.“
Von diesem Tag an vertraute Luca Kintan mehr als jemals zuvor. Er wusste, dass der Hund nicht nur sein Begleiter war, sondern auch sein Beschützer.
Die Ausstellung und das unerwartete Glück
Nach mehreren Jahren in Ubud hatte Luca eine beachtliche Sammlung von Gemälden geschaffen, die die Schönheit von Bali und die besondere Verbindung zwischen ihm und Kintan einfingen. Eines Tages beschloss er, eine Ausstellung in einer kleinen Galerie im Zentrum von Ubud zu veranstalten.
Die Eröffnung war ein großer Erfolg. Ein Kunstsammler aus Singapur war so beeindruckt von Lucas Arbeiten, dass er mehrere Gemälde kaufte und ihm anbot, eine Ausstellung in Singapur zu organisieren. Luca war überglücklich, aber er wusste, dass er nie dauerhaft von Ubud wegziehen würde. Bali war sein Zuhause geworden – wegen der Menschen, der Natur und wegen Kintan.
Mit dem Geld aus der Ausstellung kaufte Luca ein größeres Haus mit einem großen Garten, in dem Kintan frei herumlaufen konnte. Er spendete einen Teil des Erlöses an ein lokales Tierheim, um anderen Hunden zu helfen, ein besseres Leben zu finden.
Das Vermächtnis
Die Jahre vergingen, und Luca und Kintan wurden ein vertrauter Anblick in den Straßen von Ubud. Der Künstler mit dem goldenen Hund war für viele eine Quelle der Inspiration. Lucas Gemälde hingen in Galerien auf der ganzen Welt, doch er selbst blieb dem einfachen Leben treu.
Eines Abends, als die Sonne hinter den Palmen unterging und die Grillen zu singen begannen, saßen Luca und Kintan auf der Veranda ihres Hauses. Luca streichelte das weiche Fell seines treuen Begleiters und sagte: „Du bist das Beste, was mir je passiert ist, Kintan.“
Der Hund schaute ihn an, seine goldenen Augen voller Liebe und Verständnis, und legte seinen Kopf auf Lucas Schoß. Sie beide wussten, dass ihre Geschichte nicht in den Gemälden, sondern in den stillen, kostbaren Momenten ihres Lebens geschrieben war.
Und so lebten sie, im Einklang mit der Natur, mit der Kunst und mit der tiefen Verbindung, die zwischen einem Mann und seinem Hund entstehen kann.