Patricia stand vor dem riesigen Spiegel im Backstage-Bereich der Modenschau. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Noch fünf Minuten, dann würde sie zum ersten Mal über den Laufsteg gehen – ein Moment, von dem sie seit ihrer Kindheit geträumt hatte.
Der steinige Weg zum Modelleben
Schon als junges Mädchen hatte Patricia Mode geliebt. Während andere Kinder mit Puppen spielten, kritzelte sie Kleiderentwürfe in ihre Schulhefte. Doch der Weg in die Modewelt war alles andere als einfach.
Sie hatte sich bei zahllosen Modelagenturen beworben – und noch mehr Absagen kassiert. „Zu klein, zu gewöhnlich, zu unerfahren“ – die Kritiken hatten sie oft getroffen, aber nie aufgehalten.
Dann, eines Tages, bekam sie ihre Chance. Eine kleine Agentur in Berlin suchte frische Gesichter für eine Nachwuchs-Modenschau. Es war keine große Fashion Week, aber es war ein Anfang.
Die erste große Show
Und jetzt stand sie hier, in einem eleganten schwarzen Kleid, die Haare streng zurückgebunden, die High Heels ungewohnt hoch. Die anderen Models wirkten gelassen, während sie ihre Lippen nachzogen oder Selfies machten. Patricia fühlte sich wie ein Eindringling.
Plötzlich legte jemand eine Hand auf ihre Schulter. „Aufgeregt?“
Es war Maya, ein erfahreneres Model, das sie während der Proben kennengelernt hatte.
„Ja“, gestand Patricia. „Was, wenn ich stolpere?“
Maya lachte. „Dann stehst du einfach wieder auf. Das passiert selbst den Besten.“
Der Moment der Wahrheit
Die Musik begann. Das erste Model trat auf den Laufsteg. Dann das nächste. Und dann war Patricia an der Reihe.
Sie atmete tief durch, straffte die Schultern und setzte einen Fuß vor den anderen.
Eins. Zwei. Drei. Blick geradeaus. Keine Fehler. Kein Zittern.
Und dann – ein winziger Fehltritt. Ihr Absatz rutschte ein wenig. Sie stolperte fast.
Doch sie erinnerte sich an Mayas Worte. Steh einfach wieder auf.
Mit einem selbstbewussten Lächeln fing sie sich, lief weiter, als wäre nichts gewesen. Und als sie am Ende des Laufstegs ankam, spürte sie, wie ihr Herz vor Stolz raste.
Der Anfang von etwas Großem?
Nach der Show kam der Designer auf sie zu. „Du hast das gut gemacht. Ich melde mich vielleicht für eine nächste Show.“
Vielleicht war sie noch nicht an der Spitze der Modewelt – aber sie hatte den ersten Schritt gemacht.
Und Patricia wusste: Das war erst der Anfang.
Die zweite Chance
Nach der Modenschau konnte Patricia kaum schlafen. Die Aufregung, der Applaus, das Adrenalin – all das schwirrte noch in ihrem Kopf. Sie hatte sich ihren ersten Laufsteg-Auftritt erkämpft, aber sie wusste: Ein Model ist nur so gut wie sein nächster Job.
Zwei Wochen später bekam sie eine Nachricht vom Designer:
„Lust auf eine weitere Show? Dieses Mal in Hamburg. Lass uns telefonieren.“
Ihr Herz machte einen Sprung. Das war ihre Chance, sich zu beweisen!
Höhere Erwartungen, härterer Druck
Die Show in Hamburg war größer. Mehr Designer, größere Namen, mehr Konkurrenz. Im Castingraum standen hochgewachsene Models mit scharfen Gesichtszügen und endlos langen Beinen. Patricia fühlte sich wieder wie das Mädchen, das „zu gewöhnlich“ war.
Aber sie wusste, dass sie nicht aufgeben durfte.
Als sie an der Reihe war, lief sie mit selbstbewusstem Blick und aufrechtem Gang durch den Raum. Sie hörte das Flüstern der Jury, sah die skeptischen Blicke – und dann das Nicken des Casting-Direktors.
„Willkommen im Team.“
Die Schattenseite des Modellebens
Patricia lernte schnell, dass das Modelleben nicht nur aus Glanz und Glamour bestand.
- Lange Wartezeiten hinter der Bühne, während Designer hektisch letzte Änderungen an den Outfits vornahmen.
- Strenge Diäten, um den perfekten Look zu halten – auch wenn sie am liebsten einfach einen Burger gegessen hätte.
- Konkurrenzdruck, der sie oft verunsicherte, wenn sie die scheinbar perfekten Gesichter um sich herum sah.
Aber es gab auch die guten Momente. Das Gefühl, wenn das Licht anging und sie über den Laufsteg schritt. Das Wissen, dass sie für ihre harte Arbeit belohnt wurde.
Und dann kam das große Angebot.
Paris – der große Durchbruch?
Nach der Show in Hamburg wurde sie von einem Scout angesprochen.
„Du hast Potenzial. Ich könnte dich bei einer Agentur in Paris vorstellen. Hast du Interesse?“
Paris. Die Stadt der Mode. Der Laufsteg der Weltstars.
Aber es bedeutete auch: Alles hinter sich lassen. Neue Stadt, neue Sprache, neue Herausforderungen.
Patricia stand am Scheideweg. War sie bereit, alles zu riskieren – für den Traum, den sie immer hatte?
Sie schaute auf ihr Handy, tippte eine Nachricht an Maya:
„Was würdest du tun?“
Maya antwortete sofort: „Spring. Du kannst fliegen.“
Patricia atmete tief durch. Dann tippte sie zurück:
„Ich bin dabei.“
Und so begann das nächste Kapitel ihrer Reise.
Paris – Zwischen Traum und Albtraum
Paris war atemberaubend. Patricia hatte schon oft Bilder der Stadt gesehen, aber als sie mit ihrem Koffer aus dem Taxi stieg und den Eiffelturm in der Ferne leuchten sah, wusste sie: Jetzt wird es ernst.
Die Agentur hatte ihr ein kleines Apartment in Montmartre besorgt – charmant, aber winzig. Die erste Woche bestand aus unzähligen Castings, die sie mit hunderten anderen Models besuchte. Mal wurde sie freundlich begrüßt, mal kaum eines Blickes gewürdigt.
„Zu klein.“
„Nicht das richtige Gesicht.“
„Vielleicht für kommerzielle Jobs, aber nicht für High Fashion.“
Die Konkurrenz war härter als sie je erwartet hatte. Sie sah Frauen, die buchstäblich weinten, weil sie einen Job nicht bekommen hatten. Manche aßen tagelang nichts, um „Catwalk-ready“ zu bleiben.
War das wirklich das Leben, das sie wollte?
Die große Entscheidung
Dann kam das Casting für eine Pariser Fashion Week Show eines angesagten Designers. Der Laufsteg, von dem sie geträumt hatte. Doch als sie sich umzog, reichte ihr eine Assistentin einen Rock, der viel zu eng war.
„Zieh das an“, sagte sie.
„Aber … er passt nicht.“
„Dann iss weniger.“
Patricia sah sich im Spiegel an. Ihr Gesicht war schmaler geworden, ihre Wangenknochen ausgeprägter – sie hatte Gewicht verloren, ohne es zu merken. Plötzlich spürte sie die Erschöpfung, die Nächte ohne Schlaf, den Stress.
War dieser Traum es wert?
Dann erinnerte sie sich an ihre ersten Laufsteg-Momente. An die Freude, die Mode ihr immer bereitet hatte. Aber auch an das Gefühl, dass sie in diese Welt nie ganz hineingepasst hatte.
Ein neuer Weg
Am Abend saß Patricia auf den Stufen vor ihrem Apartment und starrte auf ihr Handy. Eine Nachricht von Maya blinkte auf.
„Und? Große Show? Paris erobert?“
Sie lächelte. Dann schrieb sie zurück:
„Ich habe gemerkt, dass ich nicht für diesen Zirkus gemacht bin.“
„Kommst du zurück?“
Patricia sah sich um. Die Lichter von Paris, die Straßenkünstler, die kleinen Cafés – diese Stadt hatte sie verzaubert, aber auf eine andere Weise, als sie gedacht hatte.
„Ja. Aber nicht als Model. Ich will Mode machen, nicht nur präsentieren.“
Maya antwortete sofort: „Dann bring mir ein Kleid mit, das zu mir passt.“
Patricia lachte.
Ein paar Monate später kehrte sie nach Deutschland zurück – nicht als Model, sondern als Designerin in Ausbildung. Sie wusste: Ihr Platz war nicht auf dem Laufsteg. Sondern hinter den Kulissen, wo die wahre Magie der Mode entstand.
Und diesmal fühlte es sich genau richtig an.
ENDE.